Welche Therapie- und Fördermethoden sind empfehlenswert?

Es gibt eine Vielzahl von Förder- und Therapieangeboten, von denen nur die wenigsten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft wurden. Forschungsergebnisse belegen, dass nur symptomorientierte Ansätze wirksam sind. Die symptomorientierte Förderung setzt direkt an den Schwierigkeiten der Betroffenen an und basiert auf der Einübung von Lesefertigkeiten, oft verbunden mit Rechtschreibfertigkeiten.

Auch die effektivste Förderung bringt jedoch meist keine „Heilung“ im Sinne eines fehlerfreien Lesens. Häufig bleiben die Schwierigkeiten bis ins Erwachsenenalter bestehen. Ziel einer Förderung muss demnach nicht nur die Verbesserung der Lesefertigkeiten, sondern auch der Umgang mit den Schwierigkeiten sein. Es gilt Strategien und Methoden zu vermitteln, die es dem Betroffenen ermöglichen, trotz der Einschränkungen vollumfänglich am öffentlichen Leben teilzuhaben.

Was ist bei Förder- und Therapiekonzepten zu beachten?

    • Leseförderprogramme sollen die Wortlesegeschwindigkeit und das Leseverständnis durch strukturiertes Vorgehen fördern. Dabei soll systematisch aufbauend, am Schriftspracherwerb orientiert, vorgegangen werden (möglichst anhand eines Manuals).
    • Methoden der Verhaltenstherapie, z.B. ein Verstärkerprogramm, wirken sich positiv auf die Fördereffekte aus (nach festgelegten Prinzipien erhält das Kind z.B. eine Belohnung für das Erreichen von zuvor vereinbarten Lernzielen).
    • Die Förderung sollte mehr als 20 Wochen umfassen und nur durch Fachpersonal erfolgen.
    • Insbesondere für im Lesen schwer betroffene Kinder ist eine strukturierte, intensive und andauernde Förderung mit Hilfe eines wissenschaftlich fundierten Programms (evidenzbasiert) notwendig.
    • Trainings, die auditive Wahrnehmung (z.B. Tonunterscheidung, Richtungshören, auditive Ordnungsschwelle erkennen und senken) oder visuelle Funktionen (z.B. Blickbewegungstraining) ohne Bezug zur Schriftsprache fördern, haben keine Wirksamkeit und sollten nicht zur Förderung der Lesefähigkeit eingesetzt werden.
    • Die alleinige Förderung von Lautwahrnehmung (welchen Laut hörst du am Anfang von Baum?) und -unterscheidung (z.B. klingt /da/ anders als /ga/), ohne Förderung schriftsprachlicher Fertigkeiten (z.B. Wörter in Silben gliedern und silbenweise erlesen), wird für die Förderung nicht empfohlen.
    • Vom Leichten zum Schweren
    • Förderbeginn findet auf einem – dem Kind angepassten – Leistungsniveau statt, so dass das Kind auf jeden Fall die Aufgaben bewältigen kann (sog. Nullfehlergrenze zur Motivationssteigerung, keine Überforderung)
    • Keine Wissensvermittlung von z.B. Leseregeln ohne Anleitung und Übungen zur praktischen Umsetzung
    • Hohe Übungsintensität in den jeweiligen Lernbereichen
    • Integration von Lernstrategien in die Lernförderung

Die Leseförderung sollte auf Basis der Diagnostik und des individuellen Leseniveaus des Kindes erfolgen.

Für Kinder mit anhaltenden Schwierigkeiten beim Leseerwerb, der sich in der Zuordnung von Graphem (Buchstabe oder Buchstabenkombination) zu Phonem (lautliche Repräsentation des Graphems) zeigt, sollte systematisch in diesem Bereich gefördert werden (z.B. Übungen zur Buchstabe-Laut- und Laut-Buchstabe-Zuordnung).

Für die Förderung der Wortlesefähigkeit sollten Methoden angewandt werden, die die Wortdurchgliederung fördern, z.B. Wörter in kleinere sprachliche Einheiten (Silben, Morpheme) oder Wortteile (Wortanfang und Silben, Morpheme) zu untergliedern. Durch Aufgaben, in welchen wiederholt Wortteile erlesen oder zu Wörtern zusammengefügt und zusammenhängend gelesen werden müssen, kann die Wortlesefähigkeit gesteigert werden. Der Fördereffekt zeigt sich sowohl in einer Zunahme der Lesegeschwindigkeit als auch in der Abnahme von Lesefehlern.

Das Textverständnis wird mit Methoden gefördert, die z. B. das korrekte Entnehmen von Informationen aus Texten sowie das Verknüpfen des Gelesenen mit bereits vorhandenem Wissen ermöglichen. Dieses Ziel kann durch die Vermittlung von Fragestrategien erreicht werden. Aber auch weitere Bearbeitungsstrategien, wie das Herausschreiben von Textinhalten, das Zusammenfassen von Texten oder das Identifizieren und Formulieren von Hauptideen zeigen sich als effektiv. Unterstützend für eine Verbesserung des Textverständnisses ist ein umfangreicher Wortschatz.

Die günstige Formatierung der Lesematerialien kann unterstützend wirken. Untersuchungen zu Schrifttypologien weisen darauf hin, dass serifenfreie Schriftarten, wie Helvetica, Courier, Arial und Verdana, sowie Schriften mit fester Zeichenbreite (monospaced) das Lesen erleichtern. Kursiv- und Fettdruck setzen die Leseleistungen hingegen herab. Die Schriftarten OpenDyslexic und Dyslexie wurden zwar extra zur Unterstützung von Betroffenen mit Lesestörung entwickelt, es gibt es jedoch keine Nachweise, dass diese die Leseleistung auch tatsächlich steigern.

Größere Abstände zwischen Buchstaben, Wörtern und Zeilen scheinen sich positiv auf die Leseleistungen auszuwirken: In mehreren unabhängigen Studien konnte bestätigt werden, dass die ein- bis dreifache Erweiterung von Buchstaben- Wort-, und Zeilenabständen einen positiven Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit, die Lesegenauigkeit und das Leseverständnis hat. Zudem sind Texte mit vergrößerter Schrift für Kinder und Jugendliche mit LS leichter zu lesen.

Computer- und Onlineförderung
Computerbasierte Förderprogramme basieren im Wesentlichen auf vergleichbaren Ansätzen wie die Förderkonzepte, die mit Papier und Bleistift arbeiten. In den letzten Jahren gibt es zunehmend mehr Angebote von sog. Online-Förderkonzepten, die es den Kindern ermöglichen, recht selbstständig mit einer unmittelbaren Rückmeldung in meist sehr motivierenden Lernwelten zu arbeiten. Zum Teil erlauben die Programme – auf einer Eingangsdiagnostik aufbauend – ein auf das individuelle Ausgangsniveau des Kindes ausgerichtete Förderung mit wöchentlicher Rückmeldung über die Leistungsentwicklung. Allerdings gibt es auch einige Programme, die eher zum Spielen als zum Lernen ermuntern. Daher sollte darauf geachtet werden, dass der Wissens- und Lernaspekt im Vordergrund steht und dass die Grundlage der Programme wissenschaftlich fundiert ist. Programme, die schnelle Erfolge innerhalb nur weniger Wochen versprechen, sind meist nicht zu empfehlen.

Ein gutes Beispiel für ein Online Leseförderprogramm ist die App für Tablets und mobile Geräte „Meister Cody – Namagi“. Die Eigenschaften dieses Förderprogramms sind vergleichbar mit anderen digitalen Lernspielen oder „Serious Games“: Inhalte, Struktur und Ablauf sind in pädagogischer Absicht gestaltet und enthalten zugleich zentrale Merkmale von Spielen Die spielerischen Aspekte sollen vor allem die Motivation der Kinder fördern und sie ermutigen, an dem Training dranzubleiben und wiederholt zu üben.

 

Auswahl an evidenzbasierten Förderprogrammen, sortiert nach Problembereichen und Einsatzmöglichkeiten:

Keine oder kaum Lesefähigkeit vorhanden

Sehr viele Lesefehler langsames und verzögertes Lesen

Probleme Wissen aus Texten zu gewinnen

 

Weitere Unterstützungsmöglichkeiten zusätzlich zur Leseförderung sind:

  • Behandlung von komorbiden Störungen (z.B. Schulangst)
  • Gespräch und Beratung mit der Schule
  • Beantragung von Nachteilsausgleich und Notenschutz
  • Sozialrechtliche Unterstützung (Minderung der Erwerbsfähigkeit)

 

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